Wochenimpuls Maria 2.0 – Die Frauen der frühen Kirche Junia

Apostel – darunter verstehen die meisten Menschen Männer, zwölf an der Zahl, von Jesus berufen. Paulus allerdings, der Jesus persönlich nicht gekannt hat, besteht in einigen seiner Briefe vehement darauf, dass auch er ein Apostel ist. Die Zwölferzahl kommt also schon mal nicht hin.

Im Römerbrief schreibt Paulus: „Grüßt Andronikus und Junia …Unter den Apostelinnen und Aposteln haben sie eine herausragende Rolle, Schon vor mir gehörten sie zum Messias.“ (Röm 16,7 Bibel in gerechter Sprache)

Im Kommentar zum Römerbrief vom Prediger Johannes Chrysostomus steht: „Wie groß ist die Tugend dieser Frau, dass sie würdig gewesen ist, Apostel genannt zu werden.“

Viele Jahrhunderte blieb diese Frau eine Apostelin, bis Aegidius von Rom (1245 bis 1316), Schüler von Thomas von Aquin, aus ihr einen männlichen Junias machte. Diese Sichtweise übernahm Martin Luther in seinen Bibelübersetzungen von 1522 bis 1534 und verbreitete sie damit im deutschsprachigen Raum. Selbst wissenschaftliche Textausgaben der Bibel nahmen noch im 20. Jahrhundert den Fehler auf, und so fand er sich in den meisten Bibelübersetzungen wieder, denn eine Frau konnte unmöglich zum Kreis der Apostel gehören.

Es ist der feministischen Exegese und der theologischen Frauenforschung zu verdanken, dass das wahre Geschlecht der Junia wieder aufgedeckt wurde. Das macht deutlich, dass eine Frau sehr wohl Apostelin sein konnte und eine herausragende, möglicherweise auch leitende Rolle in einer christlichen Gemeinde innehatte. So untersuchte die amerikanische Theologin Bernadette Brooten sämtliche antike römische und griechische Inschriften und fand heraus, dass es die männliche Form „Junias“ gar nicht gibt. Diese Tatsache und viele Handschriften des Römerbriefes, die die weibliche Form belegen, zeigen, dass es sich bei Andronikus und Junia um einen Mann und eine Frau gehandelt hat, die Paulus gleichermaßen als Apostel bzw Apostelin bezeichnet.

In der neuen Einheitsübersetzung der Bibel von 2016 wurde der Fehler korrigiert.

Die Einsicht, dass es sehr wohl auch Apostelinnen gab, führt jedoch noch lange nicht dazu, dass die katholische Kirche ihr Argument revidiert, im Hinblick auf die Berufung der zwölf männlichen Apostel könnten ausschließlich Männer zu Priestern geweiht werden. Die Zwölfzahl der Evangelisten Mt, Mk und Lk ist rein symbolisch zu verstehen. Sie beziehen sich, wie nach ihnen die frühe Kirche, auf die zwölf Stämme Israels und wollen damit zum Ausdruck bringen, dass sich die Heilsbotschaft Jesu an das gesamte Volk Israel richtete. Mit Sicherheit gab es mehr als nur die Zwölf, die den Titel Apostel oder Apostelin trugen, und eine von ihnen war Junia. Es wird somit höchste Zeit, dass sie im liturgischen Kalender den männlichen Aposteln gleichgestellt wird.

Die griechisch-orthodoxe Kirche begeht am 17. Mai den Gedenktag der Junia und des Andronikus.

Auch für die kfd ist die Apostelin sehr bedeutend. Nach mehr als 100 Jahren hat die kfd den Titel ihrer Mitgliederzeitschrift „Frau und Mutter“ in „Junia“ geändert.

Claudia Brüser-Meyer              Quelle Die Mitarbeiterin 2/2021