Maria, wenn sie dich nicht als Königin des Himmels verehren, bist du mir viel näher.
Dann bist du eine Frau wie ich und alle anderen. Eine Frau, die religiös und gläubig ist, zerbrechlich und zart. Eine Frau, die gerne mit ihrem Verlobten zusammen ist, auch sexuell. Eine Frau, die Nähe und Geborgenheit. Zuversicht und Hoffnung braucht im Alltag. Eine Frau wie du und ich. Eine Frau, die an Gott und das Gute im Menschen glaubt, genauso wie ich. Eine Frau, die gerne irgendwann einmal Mutter sein möchte und neues Leben schenken kann.
Maria, wenn ich an deine Weissagung denke, dass du Gottes Sohn gebären wirst, dann hätte ich Angst bekommen und wäre am liebsten weggelaufen vor der Größe dieser Verheißung. Dann hätte ich am liebsten die Kurve gekratzt und wäre nie gekommen. Was hast du wohl gedacht? Ist es dir ähnlich ergangen?
Du hast Ja gesagt zu diesem Angebot Gottes. Auch dein Verlobter hat Ja gesagt. Habt ihr gewusst, was das bedeutet? Habt ihr Angst gehabt, oder es erst einmal gar nicht so ernst genommen? Was haben euch diese Schwangerschaft und Geburt bedeutet? So alltäglich war das ja alles nicht im Stall von Bethlehem! Konntet und habt ihr jemandem davon erzählt? Habt ihr es für euch behalten? Ich hätte so viele Fragen an dich!
Maria, wenn sie dich als einfache Frau verehren würden und ehren würden, dann wärst du mir viel näher. Dann könnte auch ich hoffen, einmal als Frau in dieser Männerhierarchie wahrgenommen zu werden, geachtet, gefragt und angenommen zu sein. Dann hätte auch ich vielleicht einen Auftrag von Gott, wie so viele andere Frauen auch. Dann können wir Ja sagen zur Kirche deines Sohnes!
Maria, wenn sie dich als Mutter im Alltag sehen würden und nicht als Mutter aller Menschen, dann wärst du mir viel näher. Dann würden sie sehen, wie viel Mühe es macht, ein Kind aufzuziehen. Wie viel Liebe es braucht, es gedeihen zu lassen. Wie viel Vertrauen zu Gott notwendig ist, es loszulassen und es nicht für immer zu binden. Wie viel Mut dazu gehört, einem Kind Wurzeln und Flügel zu geben fürs Leben.
Maria, wenn die Männer dieser Welt das alles nur mal sehen und verstehen wollten, dann würden sie auch mich sehen und verstehen können. Sie verehren dich als Königin des Himmels – du aber hast auf Erden gelebt, als Frau und Mutter. Wie ich.
(Martina Flottemesch, in Maria 2.0 Mai 2020)