„Wir müssen reden!“
Den Satz hat – da bin ich mir sicher – fast jeder schon einmal gehört. Viele Bücher sind damit überschrieben, und es gibt sogar eine Fernsehsendung (Sender rbb), die so betitelt ist. Dabei ist das Publikum der Gesprächsgast. In einem mobilen Studio werden aktuelle regionale oder nationale Streitthemen besprochen, die aufregen, polarisieren und bewegen.
„Wir müssen reden!“
Das wäre doch mal eine Überschrift über ein Programm unserer Kirche. Ich werde nämlich das Gefühl nicht los, dass es uns manchmal an einer guten Gesprächskultur mangelt. Und dabei sollte bei uns eine solche doch geradezu in der DNA verankert sein. Und damit sind wir geradewegs beim Pfingstfest, das die Kirche an diesem Wochenende feiert.
Wenn wir in der Bibel mal ganz weit nach vorne blättern, begegnen wir der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Da heißt es: “Die ganze Erde hatte eine Sprache und ein und dieselben Worte.” Um es anders auszudrücken: Die Menschen konnten miteinander reden und somit auch miteinander in Beziehung treten. Das Problem war, dass sie überheblich wurden in ihrem Tun, dass sie versuchten, wie Gott zu sein. Deshalb zerstreute der Herr dieses Volk und verwirrte seine Sprache. Die Menschen konnten einander nicht mehr verstehen.
Heute scheint das ganz ähnlich zu sein. Jeder meint, er habe die Wahrheit für sich gepachtet. Wenn unterschiedliche Gruppen (Alte-Junge, Querdenker-Politiker, Russland-Ukraine…) sich nicht verstehen, ist das das Eine. Aber wenn man sich innerhalb einer Gruppe, wie bei uns der Kirche, nicht mehr versteht, ist das etwas ganz anderes. Wir können nicht mehr miteinander reden. Wir reden aneinander vorbei her und hören unserem Gegenüber auch nicht zu. Vor allem sprechen wir nicht auf Augenhöhe miteinander. Wie soll das angesichts der starren Hierarchien auch gehen? Aber wo nicht miteinander geredet wird, finden sich auch keine Lösungen. Also sitzen wir unsere Konflikte einfach aus und alles bleibt, wie es ist.
Warum ist das so? Ein Blick in die Apostelgeschichte kann da vielleicht weiterhelfen: Die Apostel gingen nach Christi Himmelfahrt „in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben. (Apg 1, 13)“ Sie hatten Angst! Angst aber lähmt. Sie waren nicht in der Lage, hinauszugehen, weil sie in ihrer Furcht erstarrt waren. Vielleicht ist es auch Angst, die unsere Kirche heute lähmt: Wenn wir miteinander reden und nach Lösungen suchen, wird das Konsequenzen haben. Reden muss Handeln nach sich ziehen, und das hat mit Verlust zu tun. Verlust von Privilegien, Verlust von Macht, Verlust von gewohnter Routine, von Vertrautem.
Was kann da helfen? Ich glaube, das gleiche wie damals: Das Brausen des Heiligen Geistes! Ein Brausen, das das Haus Kirche erfüllt. Ein Feuer, dass sich auf jeden von uns niederlässt und uns mit dem Heiligen Geist erfüllt. Dann können wir miteinander reden! Dann können wir uns gegenseitig verstehen. Wir müssen nicht alle deutsch, englisch, französich oder lateinisch reden! Es reicht, wenn wir in der gemeinsamen Sprache unseres Glaubens reden. Wenn wir einander zuhören. Und wenn wir unsere Augen, Ohren und Herzen für den Heiligen Geist öffnen, damit er uns die Angst nimmt, mutig „Kirche heute“ zu gestalten!
Frohe Pfingsten wünscht Ihnen
Maria Thier
Pastoralreferentin