Impuls des Monats Mai 2024: Herr, schenke mir Geduld, aber bitte sofort!

Bild: Christian Schmitt; In: Pfarrbriefservice.de

Nein, ich bin kein geduldiger Mensch. Und auch kein entspannter. Leider! Denn gerade im Moment merke ich, dass mir ein wenig Gelassenheit und vor allem Geduld gut täten. Geduld, wenn mir etwas nicht so von der Hand geht, wie es mein Zeitplan gerne hätte – Geduld in der Auseinandersetzung mit meinen Mitmenschen, wenn mein Denken und Handeln nicht mit  deren übereinstimmt –Geduld mit meinem Gott, wenn ich ihn mal wieder nicht verstehe – und nicht zuletzt Geduld mit mir selbst.

Eigentlich mag ich mich selbst gar nicht so ungeduldig. Sie steht mir nicht, meine Ungeduld.

Ich bin nun einmal, wie ich bin, und vollständig ablegen kann ich meine Eigenheiten sicher nicht. Aber in turbulenten Zeiten wünsche ich mir schon die Fähigkeit, vor dem Reden und Machen kurz nachzudenken über Sinn oder Unsinn meiner Aktionen und darüber, ob ich damit andere verletzen könnte, einmal tief Luft zu holen und dann die vielleicht bessere Entscheidung zu treffen. Und ich hoffe, dass es jemanden gibt, der auch Geduld mit mir hat, egal ob Mensch oder Gott selbst.

 

Gebet eines Ungeduldigen

Nein, ich bin nicht so geduldig wie du, Gott, oder andere,
die gleichmütig bleiben,
auch wenn der Boden unter ihnen wankt.

Schon im Kleinen nicht:
Ich könnte aus der Haut fahren
in der Schlange vor der Kasse am Supermarkt,
wenn jemand umständlich nach seinem Geldbeutel sucht,
die PIN falsch eingibt,
das Obst nicht abgewogen hat
oder zum fröhlichen Plausch mit der Kassiererin ansetzt.

Oder wenn alles Hupen nichts nützt,
um dem Fahrer vor mir an der Ampel klar zu machen,
dass „Rot“ vorbei ist und „Grün“ weiterfahren bedeutet.
Ganz und gar nicht nette Gefühle spüre ich dann.

Ganz großartig auch,
wenn man nach schlechten Erfahrungen mit der unpünktlichen Bahn
dann doch das Auto nimmt
und sich nach sechs Baustellen im finalen Stop-and-Go-Stau
in der siebten wiederfindet.

Nein, ich bin nicht geduldig.
Jedenfalls nicht immer.

Gewiss Temperamentsache, Familiengene, man ist, wie man ist,
sich selbst aushalten ist nicht immer leicht.
Und doch wünsche ich mir Gelassenheit,
wenigstens etwas davon,
um Dinge, die ich nicht ändern kann,
hinzunehmen, auch wenn es schwer fällt,
erst durchzuatmen, bevor ich poltere,
leichter, langsamer, nachsichtiger zu sein oder zu werden.
Das Gegenteil kann ich schon…

Lass mich geduldiger sein,
Gott, der Du selbst Geduld hast im Übermaß
und auch wahrhaftig brauchst
mit Blick auf Deine nur selten ganz geglückten Ebenbilder.

Und schenke mir Geduld beim Geduldiger-Werden,
dass ich nicht plötzlich Heilung erwarte, mich nicht überfordere,
vielleicht erstmal über mich schmunzeln, vielleicht sogar lachen lerne
nach dem nächsten genervten „Das-darf-doch-nicht-wahr-sein-Seufzer“,
der mir so oft und schnell verärgert entfährt.

Hab Du Geduld mit mir,
wie ich mir anderen und sie mit mir. Amen.

(aus: Stephan Wahl, „Ungehobelte Gebete“)