Ist Ihnen schon aufgefallen, dass in diesen Wochen sehr viel grün und weiß zu sehen ist? Ist Werder Bremen Meister geworden oder VFL Wolfsburg in die Championsleague aufgestiegen? Nein, nichts von alldem: die Schützenfestsaison ist in vollem Gange!
Vor kurzem erhielten wir die Einladung der Dingdener Jungschützen, an deren Umzug teilzunehmen, und ich dachte: Schützenfest? Warum nicht? Kann ja so schwer nicht sein, da mitzugehen und an der Vogelstange ein kleines Bierchen zu trinken? Kurz: man musste mich nicht lange überreden. Denn das ist doch das, woran man als erstes denkt, wenn man „Schützenfest“ hört, oder? Vogelschießen, ein kühles Getränk trinken, einfach feiern! Und das soll auch so sein! Feiern ist wichtig – für jeden Einzelnen, aber auch für die Gemeinschaft.
Aber dann kam die Anfrage, ob ich zur Kranzniederlegung auch ein paar Worte an die Gäste und Schützen richten möchte. Ich dachte erst: Ach je, was sagt man denn da? Aber eigentlich war es mir recht schnell klar. Und ich denke, diese Gedanken passen auch sehr gut als Impuls für diesen Monat.
Viele Schützenvereine beginnen ihr Fest nicht an der Vogelstande, sondern bewusst auf dem Friedhof am Ehrenmal für die Gefallenen der Weltkriege. Damit setzen sie ein wichtiges Zeichen. Hier ist nicht der Ort zum Feiern, sondern der Ort des Gedenkens: zum einen an aller Verstorbenen der Vereine und Bruderschaften, aber zum anderen auch all derer, die im Krieg ihr Leben lassen mussten. Wenn man dort mal auf die Inschriften der Gedenksteine schaut, dann waren da verdammt junge Männer dabei.
Die Zeit des Krieges in Deutschland ist lange vorbei. Wenn wir nicht aufpassen, gerät das, was damals passiert ist, in Vergessenheit! Aber wir dürfen das nicht vergessen! Auch heute sterben – wie damals – Menschen durch Kriege, für Machthaber, denen eine Menschenleben nichts wert ist und die ihr Handeln mit ihren kranken Ideologien erklären. Und das direkt vor unserer Tür! Man muss keine besonders guten Ohren haben, um die Parolen von damals auch bei uns wieder zu hören, die unseren Frieden und unsere gesellschaftlichen Werte bedrohen!
Und in dieser Zeit beginnen die Schützen ihr Fest mit einer Kranzniederlegung am Ehrenmal. Es ist eine Geste gegen das Vergessen und für Solidarität mit allen Opfern von Krieg und Gewalt, mit der sie für Demokratie, Frieden und Toleranz eintreten, weil „Nie wieder“ jetzt ist. Und dafür bin ich sehr dankbar. Schade, wenn so manches dieser Feste durch das Grölen menschenverachtender Gesänge auffällt – und zum Glück denken die allermeisten anders!
Frieden und Toleranz, dafür hat sich vor mehr als 2000 Jahren auch Jesus eingesetzt, und auch er musste dafür sein Leben lassen. Er verbündet sich mit allen, die sich heute dafür stark machen, gegen Hass und Gewalt. Zu ihm wollen wir beten mit dem Gebet der vereinten Nationen:
Gott, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall. An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen, dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden, nicht von Hunger und Furcht gequält, nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe oder Weltanschauung. Gib uns Mut und Voraussicht, schon heute mit diesem Werk zu beginnen, damit unsere Kinder und Kindeskinder einst stolz den Namen Mensch tragen. Amen.
Wer mit diesen Gedanken im Gepäck zur Vogelstange oder zu welcher fröhlichen Feier auch immer geht, der soll dort ausgelassen feiern! Weil es immer für alles eine Zeit gibt, eine, der Toten zu gedenken, aber auch eine, das Leben zu feiern! Ich wünsche uns allen dazu viel Spass, und vor allem Gottes Segen!
Pastoralreferentin Maria Thier
PS: Am 9. Juni ist Europawahl – eine ausgezeichnete Möglichkeit, sein eigenes Zeichen für Demokratie, Toleranz und Menschenfreundlichkeit zu setzen! Gehen Sie wählen – weil Ihr Kreuz einen Unterschied macht!