Impuls des Monats Juli: Meine Zeit steht in deinen Händen …

Es gibt Texte oder Lieder, die sich im Herzen für eine Zeit festsetzen und immer wieder zu sprechen beginnen. Besonders Lieder sind dazu geeignet, weil sie durch die Melodie schneller „zu Herzen“ gehen. Ein solches Lied ist für mich das nachfolgende:

 Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden.
Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir. (Refrain)

  1. Sorgen quälen und werden mir zu groß. Mutlos frag ich: Was wird morgen sein? – Doch du liebst mich, du lässt mich nicht los. Vater, du wirst bei mir sein.
  2. Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb nehmen mich gefangen, jagen mich. – Herr, ich rufe: Komm und mach mich frei. Führe du mich Schritt für Schritt.
  3. Es gibt Tage, die bleiben ohne Sinn. Hilflos seh ich, wie die Zeit verrinnt. – Stunden, Tage, Jahre gehen hin und ich frag, wo sie geblieben sind.

Ich habe mich gefragt, warum mich dieses Lied so angesprochen hat. Einige Gedanken dazu: Gerade in den Strophen des Liedes erkenne ich mich selber wieder und das, was unsere moderne Zeit ausmacht. Sie drücken ein gewisses Getrieben- und Gehetzt-Sein aus. Vieles gilt es zu erledigen. Vieles muss erledigt werden. Manches wächst einem über den Kopf. Aber wo bleibt die Zeit zum Leben? Wo ist der Sinn in alldem, was ich mache und was mich umtreibt? Und vor allem, wo finde ich Halt und Rückhalt in meinem Leben?

Dieser Halt wird in der ersten Strophe beschrieben: „Du liebst mich, du lässt mich nicht los. Vater, du wirst bei mir sein.“ Eine schöne Aussage ist das! Sie muss, wie alle Liebeserklärungen, mit Leben gefüllt werden und sein, sonst bleibt sie hohl. Ich finde diese Liebe Gottes zuerst einmal in der Wertschätzung, Zuwendung, Hilfe, die mir andere Menschen zuteilwerden lassen. Im Mitmenschen, der es gut mit mir meint, begegnet mir Gott. Die Formulierung „gut meinen“ möchte ich in dem Sinne verstanden wissen, dass Kritik, Korrektur, Zurechtweisung eingeschlossen sind. Manchmal können diese erst den Blick für das eigene Gut-Werden eröffnen, weil man sich vorher in etwas verrannt hatte, das schädlich war.

Der Liebe Gottes vergewissere ich mich auch noch auf andere Weise, denn Liebe braucht immer wieder der Vergewisserung. Nun ist das schon bei einem ganz konkreten Menschen nicht ganz einfach, umso schwerer ist es bei Gott, den ich nicht sehen und ohne weiteres ansprechen kann.  Wenn mir manchmal alles über den Kopf zu wachsen scheint, dann gehe ich in die Dingdener Kirche und zünde eine Kerze an. Auf dem Weg dorthin, lege ich ganz bewusst, das, was mich belastet und umtreibt, in die Hände Gottes. Ich nehme ihn sozusagen mit auf den Weg. Lasse ihn teilhaben an meinem Leben. In der Kirche angekommen, spreche ich ein kurzes Gebet, oder stehe einfach da und schaue ins Licht der Kerze, weil ja schon alles „gesagt“ ist und darf dann gelegentlich spüren, dass ich gehalten bin, dass ich umfangen bin von einem größeren Ganzen. Ich lebe und darf leben. Da ist einer, der steht zu mir. Das tut gut.

Auch manche Messfeier, mancher Gottesdienst, manches Gespräch über biblische Texte oder Bibellesung lässt mich das erfahren. Ich schreibe „manche“, weil es leider nicht immer so ist. Aber, Gott sei Dank, oft genug, um mein Leben lebenswert zu machen und zu halten. Wenn ich diese Vergewisserung der Liebe Gottes erfahren durfte, kann der Refrain in mir zum Klingen kommen: „Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.“ Alle Hektik, alles Getrieben-Sein ist dann weg. Bis sie sich allmählich wieder in meinem Leben breit machen und ich den Prozess der Vergewisserung von neuem starte.

Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Ihnen, dass Sie immer wieder die Erfahrung machen dürfen, dass Sie sowohl von Menschen als auch von Gott geliebt sind, und dass ein Text oder ein Lied –  vielleicht das vorgestellte – Sie an dieses Geliebt-Sein erinnert.

Ihr

R. Lamers, Pastor